Die Irlandfahrt führte zunächst – logischerweise – nach Dublin. Dort traf man sich mit Pfadfindern der Catholic Boy Scouts of Ireland. Anschließend ging’s in die Wicklow Mountains in eine Hütte unserer Partnergruppe und von dort auf die Dingle-Halbinsel, wo wir mit den dortigen Pfadfindern viel gemeinsam unternahmen. Vor allem mit der Gruppe aus Ballyferriter, mit der wir einige Tage ein gemeinsames Lager hatten, haben wir noch lange Zeit Kontakt.
„Famous black tents“ – Der Aufbau einer Kothe wird begutachtet.
11.7.1994: DUBLIN
von Philipp Nagel, Pfadfinder
Nach unserer ersten, kurzen Nacht wurden wir von dem lautstarken „Aufsteh´n, der Baum brennt“ des F. Latz geweckt. Unser Frühstück bestand aus irischen Lebensmitteln: Die Milch gibt es hier in Plastikflaschen und das Brot ist labbelig (Toastbrot), Kaffee nur als löslicher Kaffee oder Kaffeebeutel (!).
Danach ging es auf zu einer ganztägigen Stadtführung durch Dublin. Zunächst guckten wir und das Viertel unseres Pfadfinderheimes an. Es besteht aus kleinen, fast gleich aussehenden Backsteinhausreihen ohne Vorgärten. Dies sind frühere Arbeiterwohnungen aus der Zeit der Industrialisierung. Da das Stadtviertel um die Aughrim Street in der Nähe der Innenstadt liegt, leben hier heute eher wohlhabendere Familien, wie Kiernan uns gestern erzählte.
Anschließend gingen wir Richtung Süden runter in die Innenstadt, und zu unserer Verwunderung fielen uns eine Menge Bauruinen und Schuttgruben auf.
Was uns am ersten Tag noch sehr verwirrte, war der Linksverkehr. Wir guckten immer in die falsche Richtung und mußten verflucht aufpassen. Dann kamen wir an den Liffey, den Fluß, der die Stadt durchquert, und gingen ihn entlang zur nächsten Bank, um Geld zu tauschen. Damit begann die ewige Rechnerei, um Preise mit DM-Preisen zu vergleichen.
Als erstes schauten wir uns Dublin Castle an, eine Schloßanlage mitten in der City. Bruno erklärte uns hier kurz die Geschichte der Stadt: Dublin heißt auf gälisch Baile Átha Cliath, was Flußübergang bedeutet. Hier lebten schon Kelten, und von den Wikingern wurde hier ein befestigtes Dorf und eine Burg gebaut, die der Vorgänger des heutigen Castle ist. Im 12. Jahrhundert wurde Dublin von den Normannen erobert und wurde später der Brückenkopf der Briten zur Eroberung Irlands. Leider konnten wir die Innenräume nicht besichtigen.
Danach ging es zur Christ Church Cathedral. Um sie zu besichtigen, mußten wir Eintritt bezahlen, aber das lohnte sich, die Kirche war renoviert und prachtvoll und eine Krypta war auch vorhanden. Die Kirche wurde im 12. Jahrhundert als katholische Kirche gebaut, später wurde sie von den Anglikanern übernommen.
Bevor wir dann weitergingen, mußten wir uns auf dem Rasen vor der Kirche erst einmal etwas ausruhen, da die meisten noch vom Flug und der kurzen ersten Nacht müde waren. Wir bekamen eine Stunde Mittagspause, und in Kleingruppen machten wir uns auf den Weg, um nach Essen und Trinken umzugucken. Anstelle von Mittagessen gab es Geld aus der Gruppenkasse. Auffällig war, daß es keine größeren Supermärkte gab, sondern nur Tante-Emma- Läden.
Nachdem wir uns dann später wiedergetroffen hatten, gingen wir durch die Liberties, ein altes Arbeiterviertel. Hier fielen uns die vielen Metzgereien ohne Kühleinrichtung, dafür aber mit vielen Fliegen auf, die unseren Appetit auf irisches Fleisch verringerten. Von da aus ging es in das Georgianische Dublin, mit prächtigen, einheitlichen großen Steinhäusern und den berühmten Türen, die man auf jedem Dublinposter sieht. Diese Stadtviertel entstanden zwischen 1600 und 1800, als Dublin sehr schnell wuchs und seine beste Zeit hatte. In der Zeit wurden aber auch das Stadtzentrum aus dem Mittelalter abgerissen.
Dann kamen wir zu St. Stephens Green, einer zentral gelegenen Parkanlage, und setzten uns auf den Rasen, was hier übrigens überall erlaubt war. Der Park ist von der Guinness-Familie gestiftet worden, die durch ihr Bier reich geworden waren.
Wir beschlossen, uns zu trennen und noch etwas in Kleingruppen durch die Stadt zu bummeln. Mit Hilfe eines Stadtplanes gelangten wir dann wieder auf den Weg zurück zum Heim. Zu Hendrik´s und meinem Pech hatten wir den Mädchenschwarm René dabei, der dafür sorgte, daß wir von auf ihn ausgewesenen Mädchen aus dem Viertel verfolgt wurden. Wir flüchteten und gelangten an eine dunkle, verbarrikadierte Straße, deren Häuser verlassen waren und vor der ein Schild „Dangerous Corner“ warnte. Wir kamen aber dennoch unbeschadet wieder im Pfadfinderheim an. An diesem Abend grillte der irische Pfadfinderstamm im Hinterhof des Heimes, und wir konnten bei einer Pfadfindergruppenstunde dabei sein.
Diese Gruppenstunde lief ganz anders ab als bei uns zu Hause. Da war viel mehr Disziplin drin als bei uns: die Pfadfinder erschienen alle in Kluft und stellten sich zum Anfang der Gruppenstunde in Reih und Glied wie beim Militär auf. Dann mußten die Sippenführer (Patrol-Leader) melden, wer alles da war. Anschließend wurde ein Pfadfinderlied gesungen, ein Gebet gesprochen und die Pfadfinderfahne hochgezogen. Zum Ende der Gruppenstunde stellten sich wieder alle auf und die Fahne wurde wieder runtergelassen. Anschließend begannen die Iren zu grillen, und wir kochten die von zu Hause mitgebrachten Tortellini mit Käsesoße. Anschließend bekamen wir von den Würstchen und die Iren von unseren Tortellini, die hier völlig unbekannt waren, und wir mußten erklären, worum es sich dabei handelt.
15.7.1994: WICKLOW MOUNTAINS
von Manuel Nagel, Pfadfinder, für Frank Latz, Käpt’n
Meine immer bewährte innere Uhr hat mich wie immer um 4.00 Uhr geweckt. Ich hatte eigentlich vor, wandern zu gehen, war dann aber doch zu müde. Nachdem ich drei Stunden Zeit hatte, mir einen Abenteuerurlaub in Sibirien auszumalen, wurden meine Humorzellen aktiv. Ich brüllte „Aaaufsteeen, deer Baaaaum brennt!“. Doch leider konnte keiner über meinen Morgenwitz lachen. Nachdem Essen wollte ich eigentlich einen Berg besteigen, mußte aber in die Stadt . Unsere Einkäufer hatten nämlich Pfadfinder von der South East Dublin Scout Unit getroffen – und nun wollten wir alle zusammen noch einmal hinuntergehen, um sie zu treffen.
Als ich in die Stadt gerannt kam, traf ich die meinigen und einige irische Scouts. Mit meinen Englischkünsten folgte ich lebhaft dem Gespräch. Man verabredete ein weiteres Meeting mit den Scouts. Danach rannte ich einkaufen. Beim Rückweg glaubte ich, ein Schild „Pub 1 1/2 KM“ gesehen zu haben und leitete meine Schar durch die Berge. Doch nach 3 1/2 KM war der Pub immer noch nicht in Sicht, so machte ich mein Bächlein, wir beschlossen zurückzugehen und rannte ins Haus zurück. Ich hackte dort Holz für das anstehende Lagerfeuer mit den Iren und gab gute Ratschläge, da einige meinten, die Pfadfinderhütte mit unserem Banner verzieren zu müssen.
Als die Iren dann eintrafen, ließ ich meine Stimmbänder spielen. Wir versammelten uns draußen am frisch entfachten Lagerfeuer. Nach einer zunächst etwas schüchternen Kennenlernphase gab es eine Singerunde mit irischen und deutschen Pfadfinderliedern. Die Iren sangen vor allem gern „Action Songs“, die mit Bewegungen untermalt wurden. Hinzu kamen kurze, eingängige Lieder, die man eher brüllte als sang. Die Iren brachten unseren Kindern traditionelle Stockkämpfe bei. Wieder bauten wir unsere Kohten auf, um sie den Iren vorzuführen und es gab die Lebensmittelvorräte unserer Küche zur Stärkung. Wieder wurden wir nach Adressen zum Zelte-Einkauf gefragt. Als sich dann nachher wieder im Haus auf Englisch unterhalten wurde, und ich wieder nicht allzuviel verstand, gab ich Stories aus meinem langen Leben zum Besten. Die Iren waren dennoch auf alle Fälle ganz nett. Wir machten uns dann noch was Heißes zu trinken, Tschai und für die Leiter von den Iren mitgebrachten Whiskey, getarnt als Irish Coffee (nach deren Pfadfinderleiter braucht man für 10 Tassen Kaffee 1 Flasche Whiskey, na ja). Dann zog ich mich irgendwann in meinen Schlafsack zurück. Die Iren machten sich um halb eins nachts auf den Rückweg.
24.7.1994: DINGLE
von Johannes „Schäng“ Altendorf, Jungpfadfinder
Dingle, den 24. Juli 1994 um 9.00 Uhr. Da war er wieder: Der von allen Stammesmitgliedern geliebte Satz „Aufstehen, der Baum brennt“. Als alle endlich aufgestanden waren (auch Flatz), frühstückten wir. Nach dem Frühstück gingen wir in die Kirche. Die Lesungen und die Predigt waren zwar auf Englisch, aber es gab jede Menge Gebete auf Gälisch
Von dort aus gingen wir wieder ins Heim und machten uns fertig – Beachtime. Am Wasser sahen wir auch schon den berühmten Delphin, der um die Boote herumschwamm. Nach ungefähr 1/2 Stunde zogen Flatz, Bauer I, Fauli, Bruno und ich (Schäng) zurück zum Heim, wo wir mit den irischen Scouts verabredet waren, um den Connor Paß zu besteigen.
Dingle Halbinsel: Baumlose Landschaften erfordern ungewöhnliche Zeltplätze und geniale Konstruktionen …
Während der Wanderung stellten wir fest, daß die Pfadfinder aus dieser Gruppe im Wandern nicht gerade geübt waren. Dafür gab es bei ihnen einige, die richtiges, verständliches Englisch sprachen. Christian Kaminski war auch auf dem Rückweg wie gewohnt mal wieder der „bündische“ Letzte. In Dingle trafen wir auf weitere Scouts aus Ballyferriter. Sie blieben diesmal nicht nur zum Abendessen, sondern sie übernachteten mit uns auf dem Schulgrundstück. Einige von uns hatten noch Platz bei ihnen in den Zelten. So konnten sie die Tunnelzelte mit den Glasfiberstäben auch mal ausprobieren und mit den Iren jede Menge Süßigkeiten austauschen. Als Abendessen hatten wir uns schon etwas ausgedacht: „Es gibt Reis.“ Nach dem Abendessen und einer ausgedehnten Runde UNO, zusammen mit den Iren, ging auch dieser Tag zu Ende.