Großbritannien 1997
Am Abend des 26.07.97 begannen wir unsere Großbritannienfahrt an der Villa Kaufmann. Es sollte eine Fahrt der internationalen Begegnungen werde, denn wir hatten geplant, am Amikaro“-Lager, zu deutsch „Zusammenkunft der Freunde“, teilzunehmen, welches in Brühls Partnerstadt Leamington Spa stattfand.
Doch dieses Treffen lag noch in weiter Ferne, als wir um 16.00 Uhr Ortszeit den Bus betraten.
Es wurde eine lange und stressige Fahrt ohne Unterbrechung nach Calais. Nach stürmischer, nächtlicher Überfahrt und einer weiteren Busfahrt hatten wir um zwei Uhr morgens endlich unser Ziel erreicht: Wir waren in London, der europäischen Metropole, die wir am Ende unserer Fahrt noch einen Tag lang besichtigen sollten. Nach einer unbequemen Nacht im Bahnhof Paddington Station und einer weiteren, langen Bahnfahrt waren wir schließlich an dem unaussprechlichem Ort angekommen, der unser eigentliches Ziel war: Aberyswyth in Wales.
Wales
Von hier aus fuhren wir am nächsten Tag noch ein kleines Stück mit dem Zug nach Machynlleth (sprich: Mäckantleß).
Hier trennte sich unsere Gruppe in Jungpfadfinder und Pfadfinder, und beide Gruppen nahmen unterschiedlich lange Wege in Angriff, um nach mehr als einer Woche den „Snowdonia National Park“ durchwandert zu haben.
Mit vollem Marschgepäck machten wir uns auf: Wir trugen stets unser Essen mit uns, denn Supermärkte sind rar im Nationalpark, außerdem hatten wir Benzinkocher (Feuermachen war offiziell verboten), Töpfe, Kothenbahnen, Werkzeuge und jeder einzelne natürlich noch sein persönliches Gepäck dabei. Nach einer abenteuerlichen Wanderung war jeder Teilnehmer, ob Jungpfadfinder, Pfadfinder, Rover oder Leiter, um einige wertvolle Erfahrungen reicher:
Die einen hatten festgestellt, daß verfaultes Essen auf der Wanderung einige Magenschmerzen verursachen kann, andere erlebten eine Hubschrauberrettungsaktion aus nächster Nähe mit oder erfuhren im wahrsten Sinne des Wortes, was es heißt, baden zu gehen – nach dreitägigem Dauerregen. Oder wie unspektakulär man seinen Geburtstag in einer verlassenen Scheune feiern kann. Viel wichtiger als diese Ereignisse war allerdings die Erfahrung, daß man es mit einer völlig auf sich gestellten Gruppe schaffen kann, Wind und Wetter zu trotzen, sich sein Nachtlager unter freiem Himmel zu suchen, sich vollständig zu versorgen und dabei noch eine Menge Spaß haben kann, wenn alle nur gut zusammenarbeiten und jeder sich für den anderen einsetzt.
Völlig erschöpft trafen schließlich beide Gruppen eine Woche nach Beginn der Wanderung in Conwy ein, wo ein Bett in einer Jugendherberge (mit echtem Dach), einer Dusche und sogar einer Waschmaschine auf sie warteten. Nach einer erholsamen Nacht fuhren wir am nächsten Vormittag mit der Bahn zunächst nach Shrewsbury, einer wunderschönen mittelalterlichen Stadt an der englischen Westgrenze zu Wales. Am nächsten Tag ging die Fahrt dann weiter nach Leamington Spa. Die restlichen Passagiere im Zug waren sichtlich erbaut von unserer pfadfinderischen Art zu frühstücken: Eine große Kiste voller Lebensmittel wurde auf einen der viel zu kleinen Tische gestellt und ihr Inhalt wurde anschließend, begleitet von lauten „Bestellrufen“, durch den Waggon gereicht.
Pfadfindersippe auf ihrer Wanderung zum Mt. Snowdon durch faszinierende Landschaften: Schafweiden, menschenleere Hochmoorflächen und dichte Wälder wechseln sich ab.
Jamboree
In Leamington angekommen, wurden wir von einem schwedischen Pfadfinderbus zum „AMIKARO“ gefahren, einem internationalen Lager mit Pfadfinder aus ca. 15 Ländern.
Das Lager war unterteilt in mehrere Subcamps, unseres hieß Tardis. Neben unserem Stamm gab es in Tardis noch einen luxemburgischen, einen schwedischen und mehrere englische Pfadfinderstämme. Die Verständigung funktionierte hervorragend, beinahe jeder, den man ansprach, verstand Englisch und überraschend viele sogar Deutsch. Neben gemeinsamen Lagerfeuerabenden, bei denen Lieder und Spiele aus aller Herren Länder ausgetauscht wurden, z.B. aus Ghana, Kanada und der Türkei, gab es die verschiedensten Aktivitäten: Bogenschießen, Klettern, Kanalbootfahren, Auto fahren (!), Lagerbauten errichten und vieles mehr. Es wurden auch Tagesausflüge angeboten. Unsere Gruppe beteiligte sich geschlossen an einer Tour nach Warwick Castle, einem beeindruckend gut erhaltenen mittelalterlichen Schloß mit Phatasialandelementen. Und schließlich hatte noch ein Teil der Gruppe, insbesondere die Jüngeren, das Glück, das Cadbury Schokoladenmuseum besuchen zu können.
Die Großen wanderten derweil in gemischten Kleingruppen beim 20-Mile-Hike zwei Tage lang durch die Malvern Hills.
Beendet wurde das Lager mit einer feierlichen Abschlußzeremonie, bei der auch der Chief Scout anwesend war. Nach einer weiteren Nacht auf dem Jamboreegelände mit Abschlußgrillabend unserer Gruppe fuhren wir, wie sollte es anders sein, mit dem Zug nach London zurück. Nach einer Expressführung durch die Stadt und nach Besichtigung der Tower Bridge, des Buckingham Palace, der Houses of Parliaments (Big Ben) und Westminster Abbey, hatte jeder noch Gelegenheit, die Stadt in Kleingruppen zu erkunden.
Am Abend trafen wir im Hyde Park dann wieder die anderen deutschen Pfadfinder, von denen wir uns vor ca. drei Wochen getrennt hatten, und gemeinsam fuhren wir zurück nach Deutschland, während wir damit befaßt waren, die ereignisreichen letzten Tage zu verarbeiten oder einfach schliefen.
Philipp Nagel